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strut
   
GREGORY COATES    
       
Eröffnungsrede Mag. Sonja Traar
   

Der in Washington geborene Künstler Gregory Coates zeigt in dieser Ausstellung einen Querschnitt seiner Arbeit. Unter dem Titel „Strut“ sind eine Reihe von Objekten zusammengefasst, die, und das ist das außergewöhnliche an dieser Ausstellung, hier in der Galerie DENKRAUM während der letzten vier Wochen entstanden sind. Die Arbeiten sind somit absolut aktuell und zeigen mehr als nur sich selbst: Sie zeigen das Reagieren des Künstlers auf die vorgefundene Situation, sowohl auf die Raumsituation wie auch auf die besonderen Charakteristika des weiteren Umfeldes der Galerie, ihre urbane Verortung und Eingliederung in das Ambiente des Bacherplatzes.

Der Titel der Ausstellung „Strut“ hat zwei verschiedene Bedeutungen, was auch schon ein Merkmal der Arbeiten des Künstlers an sich ist: „Strut“ bedeutet soviel wie „Abstützung, Säule, Verstrebung“, oder „sich abstützen“, aber auch „stolzieren“ und „sich brüsten“. Damit werden zwei Dinge angesprochen: Einerseits die Materialität einer Stütze oder einer Säule, und andererseits ein menschliches Verhalten. So sind die Stützen und Verstrebungen, die Coates in seinen Arbeiten verwendet, bei näherer Betrachtung bzw. bei Berührung sehr lebendig: Die gummiartige Substanz der Fahrradschläuche gibt bei Berührung nach, man kann zwischen ihnen durchgreifen und durchgehen. Die so entstandenen Werke (auf ihre Definition als Skulpturen oder Tafelbilder möchte ich später eingehen) werden vom Künstler als eine Parabel auf die Gesellschaft verstanden, in der viele Individuen, in diesem Fall die einzelnen Gummi – Verstrebungen, wenn sie eng aneinandergereiht werden, unsere Gesellschaft widerspiegeln. Man merkt jedoch, wenn man die einzelnen Teile berührt, wie beweglich und nachgiebig sie sind, flexibel, Grundlagen dafür, wie das Zusammenleben der Menschen funktionieren kann. Jedes einzelne Individuum stützt sich oder wird verstrebt, und ist auch stolz, ein Teil dieser Gesamtheit zu sein, ja brüstet sich vielleicht damit, gut eingespannt und eingegliedert zu sein.

Der Künstler widmet sich aber auch anderen, kunstspezifischen Fragestellungen und nimmt auf die Entwicklung von Malerei und den nicht genau definierbaren Punkt Bezug, indem aus einem Bild eine Skulptur entsteht. So gleichen die einzelnen Gummischläuche auch extrem vergrößerten Leinenfäden, aus denen eine Leinwand aufgebaut ist – oder mutierten zu Pinselstrichen, die eine haptische und zum Angreifen verführende Materialität erlangt haben.

Für die Einordnung unter dem Begriff „Skulpturen“ etwa spricht, dass die Schläuche nicht vor einem Bildträger aufgespannt sind, sondern die Objekte nur aus den Schläuchen bestehen. Für die Wahrnehmung als „Bilder“ wiederum spricht die Verwendung von Farbe, die der Künstler einsetzt, um den verführerischen Gehalt seiner Werke, wie er selbst sagt, zu verstärken. Auch, um die Objekte zu „besänftigen“, um die Härte und Grobheit der Gummischläuche zu verringern. Er arbeitet vorzugsweise mit blauem und weißem Pigment. Die gezeigten Arbeiten sollen so die Illusion erzeugen, sie seien Tafelbilder. Es ist eine sehr subtile Gradwanderung, die der Künstler hier beschreitet.

Es fällt auf, dass der Künstler insgesamt eher eine reduzierte, auf das Wesentliche beschränkte Sprache verwendet, die auf schweren Ballast und schrille Effekte verzichtet. Auf eine sehr feine, der äußeren Erscheinung nach höchst ästhetische Ausdrucksweise führt er sacht unsere bisherige Vorstellung von Skulptur und Tafelbild ad absurdum. Er reagiert damit sowohl auf die Lebensbedingungen und gesellschaftlichen Merkmale der Großstadt wie auch auf die zeitgenössische Entwicklung des Tafelbildes: Mit seinen Werken führt er das Bild einen Schritt weiter und führt es hinaus aus seinem ehemals totgesagten Dasein, er erweitert auf subtile Weise den heutigen Begriff von Bild und von Skulptur. Gregory Coates meint selbst, die Herausforderung für einen Künstler müsse sein, als Inventor zu agieren, und im Sinne der Renaissance als Erfinder und Kreator in althergebrachten Sinn tätig zu sein. Als Großstadtmensch, der um die Vorzüge, aber auch die Strapazen und überlebenstechnischen Kämpfe in der Großstadt weiß, versucht er, in seinen Arbeiten einen Ruhepunkt zu finden. Auch wenn ihm das Schaffen der einzelnen Werke alles an Konzentration und Kraft abverlangt, so zeigen sie in ihrer Erscheinung eine essentielle, kühle und beruhigte Aussagekraft.

Als letztes möchte ich noch auf anhand eines Werkes näher auf die Arbeitsweise des Künstlers eingehen und zwar in dem Sinn wie er es versteht, Innen- und Außenraum in eine Beziehung zu bringen und somit eine Bewegung von Innen nach Außen und umgekehrt zu erzeugen. Draußen vor der Galerie befindet sich eine würfelartige Skulptur mit dem Titel „March for Peace“, die wie ein Monument vor dem Eingang steht. Somit verlagert der Künstler das imaginäre Zentrum seiner Ausstellung, das Innere der Galerie, nach Außen, wodurch die Besucher aufgefordert werden, von herinnen nach Draußen zu gehen. Durch die Verschiebung des Zentrums kommt etwas in Bewegung, plötzlich wird der gesamte Bacherplatz Teil der Ausstellungsfläche, die Skulptur wird öffentlich. So vermischt sich der Außen- mit dem Innenraum, das Bild wandert sozusagen nicht nur aus dem Raum sondern aus sich hinaus und wird als Skulptur wahrgenommen. Der Titel „Strut“ passt nun ganz ausgezeichnet auf dieses Monument: stolz präsentiert es sich, dank dem, was es zusammenhält, dank seiner Verstrebungen, auf die es sich abstützen kann. Besonders wichtig ist dem Künstler das soziale Gefüge, die Dynamik der menschlichen Bewegung und der Zusammenhalt in der Gesellschaft, wofür er versucht, durch seine Arbeiten ein Pendant zu finden.

Mag. Sonja Traar

September 2006

 

Die Ausstellung wird unterstützt von:

 

 

 

 

 
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